Bekämpfung von antibiotikaresistenten Erregern

© Fraunhofer ITEM, Ralf Mohr

Antibiotika haben einst mit ihrer Durchschlagkraft die Therapie von Infektionskrankheiten revolutioniert und dafür gesorgt, dass Bakterien als Todesursache weit hinter Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs liegen. Doch dieser Erfolg ist längst in Gefahr: Multiresistente Keime sorgen zunehmend für Schlagzeilen. Die Behandlungen mit bisher erfolgreichen Antibiotika schlagen bei diesen Keimen nicht mehr an: Derzeit sterben weltweit pro Jahr rund 700.000 Menschen an Infektionen mit resistenten Erregern. Experten schätzen, dass wir mit der aktuell beobachteten rasanten Zunahme solcher Resistenzen auf eine »post-antibiotische Ära« zusteuern, in der bakterielle Infektionen bis zu 10 Millionen Todesopfer jährlich fordern könnten [1].

Die Resistenz der Infektionserreger kann unterschiedliche Ursachen haben:

Einerseits entwickeln Bakterien durch spontane Genmutationen verschiedene Mechanismen, durch die sie der Wirkung von Antibiotika entgehen. Beispiele dafür sind Enzyme, die Antibiotika spalten, Transporter-Pumpen, die die Antibiotika einfach ausschleusen, sowie Genveränderungen, die das Angriffsziel der Antibiotika plötzlich verschwinden lassen. Während der Antibiotika-Behandlung haben Keime, die durch diese Mechanismen zufällig resistent sind, einen Überlebensvorteil. Während alle empfindlichen Keime durch das Antibiotikum sterben, überleben die resistenten und vermehren sich wieder. Diese Keime können die erworbenen Resistenzmechanismen untereinander übertragen und so weiterverbreiten – das Antibiotikum zeigt bei ihnen keine Wirkung mehr.

Andererseits bilden die Erreger häufig Biofilme. Das sind Gemeinschaften von Bakterien in einer von den Keimen selbst produzierten extrazellulären Matrix, die sie wie eine Schutzhülle umgibt und so gegenüber Angriffen des Immunsystems oder des Antibiotikums abschirmen. Aber nicht nur das: Das Mikromilieu im Biofilm verändert das Verhalten der Bakterien. Insbesondere im Inneren des Biofilms, z. B. durch die begrenzte Verfügbarkeit von Sauerstoff und Nährstoffen, gehen die Bakterien in einen »Ruhezustand« über und können durch Antibiotika, die nur sich teilende Bakterien angreifen, nicht bekämpft werden. Bei einer Behandlung mit Antibiotika werden daher oft nur die äußeren Bereiche der Biofilme abgetötet, im Inneren jedoch überleben die Bakterien, werden resistent und wachsen wieder.

Effektive neue Strategien zur Bekämpfung resistenter Keime sind dringend erforderlich – insbesondere auf dem Gebiet der Lungeninfektionen, die laut WHO zu den häufigsten Todesursachen zählen [2]. Genau hier setzen die ITEM-Wissenschaftler an und engagieren sich in der Erforschung und Entwicklung neuer Wirkstoffe und inhalierbarer Antibiotika.

  1. Review on Antimicrobial Resistance. Antimicrobial Resistance: Tackling a Crisis for the Health and Wealth of Nations. 2014
  2. WHO Fact sheet N°310

Entwicklung von Biofilm-Modellen für die präklinische Prüfung neuer therapeutischer Strategien

© Fraunhofer ITEM, Ralf Mohr
Pseudomonas-Biofilme, angezüchtet auf Kulturschalen, die sich für die Behandlung an der Luft-Flüssigkeitsgrenze eignen.
© Fraunhofer ITEM
Die Vitalität des Biofilms wird unter dem Mikroskop mithilfe der Fluoreszenzfärbung beurteilt: Der vitale Biofilm erscheint in gelber Färbung (links), der mit Antibiotikum-Aerosol (Tobramycin) abgetötete Biofilm ist rot gefärbt (rechts)

Die inhalative Antibiotika-Therapie ist bei Patienten mit Lungeninfektionen das Mittel der Wahl: Das Medikament gelangt direkt an den Infektionsort, wodurch höhere Dosierungen bei geringerer systemischer Belastung des Körpers eingesetzt werden können. Für die Entwicklung inhalativer Medikamente ist es essenziell zu prüfen, ob die Substanzen nach der Verneblung noch wirksam sind und welche Formulierung am effektivsten ist.

Die Arbeitsgruppe Mikrobiologie und Infektion entwickelt deshalb am Beispiel von Pseudomonas aeruginosa Biofilm-Modelle, um neue therapeutische Strategien präklinisch zu prüfen.  

Um möglichst früh während der Medikamentenentwicklung eine gute Vorhersage für die Wirksamkeit von inhalativen Antibiotika gegen Biofilm-assoziierte Infektionen treffen zu können, haben ITEM-Wissenschaftler ein In-vitro-System zur Exposition von bakteriellen Biofilmen gegenüber inhalierbaren Antibiotika aufgebaut. Biofilme des Bakteriums Pseudomonas aeruginosa, einem typischen »Problemkeim« bei Lungeninfektionen, werden dafür in vitro angezüchtet. Als Biofilm weisen die Keime eine stark erhöhte Resistenz gegen Antibiotika auf, wodurch sich die Wirksamkeit von Medikamenten für biofilm-assoziierte Infektionen deutlich besser vorhersagen lässt als durch die klassischen mikrobiologischen Tests.

Über ein am Fraunhofer ITEM entwickeltes Expositionssystemprit-systems können Substanzen auf die Biofilme »vernebelt« und die wirksame Dosis ermittelt werden. Dieses System kann zukünftig verstärkt zur vergleichenden Prüfung neuer inhalativer Formulierungen bzw. Carrier-Systeme genutzt werden, wenn es darum geht vorherzusagen, welche Wirkstoffkombination die Biofilm-Schutzhülle am besten durchbricht und die Erreger am effektivsten trifft.

 

Unsere Forschungsergebnisse zum Einfluss des menschlichen Mucus auf den Biofilm und dessen Ansprechen auf Antibiotikatherapien wurden im »Journal of Antimicrobial Chemotherapy« veröffentlicht.

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Sabine Wronski

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Dr. Sabine Wronski

Arbeitsgruppenleiterin Infektion und Immunologie

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