RNAi-Therapie gegen virale Atemwegserkrankungen

© Fraunhofer ITEM, Ralf Mohr
Ob die neuen RNAi-Wirkstoffe überhaupt wirken, wird zunächst in vitro anhand von menschlichen Lungengewebeschnitten untersucht. Danach folgen weitere Tests zur inhalativen Verabreichung mithilfe von In-vitro-Lungentestsystemen.

Für die meisten Viruserkrankungen gibt es nach wie vor keine wirksamen Medikamente. Daher werden antivirale Therapien dringend und schnell benötigt. Allerdings kann die Therapeutika-Entwicklung Jahrzehnte dauern. Ein Team aus Forschenden des Fraunhofer ITEM und der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) hat sich in dem Projekt iGUARD (integrated Guided Ultrafast Antiviral RNAi Drug Development) das Ziel gesetzt, maßgeschneiderte Therapien möglichst schnell zu entwickeln. Das Projekt iGUARD wurde bereits zweimal durch die Bundesagentur für Sprunginnovationen im Rahmen der SPRIND Challenge »Broad-Spectrum Antivirals« gefördert und hat 2023 in der dritten und letzten Runde des Innovationswettbewerbs weitere 2,5 Millionen Euro für die Weiterentwicklung neuer antiviraler Wirkstoffe erhalten.

Die Forschenden setzen auf RNA-basierte Wirkstoffe, die schnell an unterschiedliche Viren angepasst werden können und so den Schutz gegen neu aufkommende Infektionskrankheiten ermöglichen. Dafür nehmen sie zunächst das Parainfluenza-Virus in den Fokus. Ziel ist es, mithilfe der sogenannten RNA-Interferenz (RNAi) zu verhindern, dass sich das Virus im Körper vermehren und ausbreiten kann. Die RNAi ist ein natürlicher Mechanismus in unseren Zellen zum zielgerichteten Abschalten von Genen. Mittlerweile hat das Forscher-Team passende RNAi-Bausteine entwickelt, die gezielt unterschiedliche Abschnitte im Parainfluenza-Virusgenom lahmlegen, die das Virus für seine Vermehrung benötigt. Die Wirksamkeit und Sicherheit dieser RNAi-Kandidaten wurden erfolgreich an menschlichen Lungengewebeschnitten sowie in 3D-Zellkulturen aus menschlichem Lungenepithel und am Tiermodell getestet. Die RNAi-Kandidaten konnten in vitro und in vivo das Parainfluenza-Virus um 95 Prozent zurückdrängen. Außerdem haben die Forschenden ein inhalierbares Therapeutikum entwickelt, um die therapeutische RNA direkt in die vom Virus befallene Zielzelle in der Lunge einzubringen. Die Untersuchungen am Ex-vivo-Modell »isoliert perfundierte Lunge« zeigten, dass sich die Wirkstoffzubereitung gut vernebeln lässt und wie gewünscht auch das Lungenepithel erreicht.

In der dritten Förderstufe wollen die Forschenden die regulatorischen Voraussetzungen für die klinische Studie schaffen. Das heißt, die Wirksamkeit und Sicherheit des Ansatzes werden nun noch klarer herausgearbeitet und wichtige Schritte im Hinblick auf eine klinische Anwendung erarbeitet. Langfristiges Ziel ist es, mit der entwickelten iGUARD-Plattform entsprechende RNA-Therapeutika auch für andere bekannte Viruserkrankungen zu konstruieren. Letztlich um Wirkstoffe schnell an unbekannte, neu aufkommende Virustypen anzupassen und damit sehr schnell maßgeschneiderte Therapien entwickeln zu können.

In dem Projekt kooperieren die MHH, genauer gesagt das Institut für Experimentelle Hämatologie (Prof. Axel Schambach, Philippe Vollmer Barbosa) und die Klinik für Hämatologie, Hämostaseologie, Onkologie und Stammzelltransplantation (Prof. Adrian Schwarzer), sowie das Fraunhofer ITEM, Bereich Präklinische Pharmakologie und Toxikologie (Prof. Armin Braun, Philippe Vollmer Barbosa).

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Philippe  Vollmer Barbosa

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Dr. Philippe Vollmer Barbosa

Bereich Präklinische Pharmakologie und Toxikologie