RNA-Technologien

RNA-basierte Wirkstoffe bis zum klinischen Einsatz entwickeln

RNA-basierte Wirkstoffe bis zum klinischen Einsatz entwickeln

Um die molekularen Signalwege in gesunden und kranken Herzen besser zu verstehen, analysieren Forschende nicht-codierende Mikro-RNAs mithilfe der Real-time-PCR. Mikro-RNAs, die im Zusammenhang mit der Krankheit stehen, wie  etwa die Mikro-RNA-132, können somit identifiziert werden.
© Fraunhofer ITEM, Ralf Mohr
Um die molekularen Signalwege in gesunden und kranken Herzen besser zu verstehen, analysieren Forschende nichtcodierende Mikro-RNA-Moleküle mithilfe der Real-time-PCR.
© Fraunhofer ITEM, Ralf Mohr
Die Prozessentwicklung und GMP-Produktion von mRNA-Therapeutika für frühe klinische Studien kann direkt im Fraunhofer ITEM erfolgen.

RNA-basierte Medikamente bieten als Wirkstoffklasse ein enormes Potenzial für die Medizin und deren Möglichkeiten sind bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Am Fraunhofer ITEM entwickeln Forschende neue Medikamente und Verfahren für RNA-basierte Therapiekonzepte.

Der gezielte Einsatz von RNA-Wirkstoffen aus codierenden oder nichtcodierenden RNA-Sequenzen ermöglicht eine maßgeschneiderte Reaktion der jeweiligen Zielzellen bei bestimmten Krankheitsbildern. Fraunhofer-Forschende nutzen verschiedenste RNA-basierte Wirkstoffe, wie small interfering RNAs, Nukleosid-modifizierte Messenger-RNAs oder RNA-Blocker – von der Target-Findung bis hin zum klinischen Einsatz. Dabei spielen bioinformatische Modelle eine wichtige Rolle, um krankheitsassoziierte RNAs auszuwählen, deren Interaktion mit anderen Genen zu studieren und das optimale Design von Wirkstoffen zu entwickeln.

Für den zielgerichteten Einsatz der RNA-Wirkstoffe werden spezielle virale und nichtvirale Applikationstechnologien auf molekularer und apparativer Ebene entwickelt. Insbesondere für RNA-Therapeutika gegen Lungenerkrankungen ist die lokale Verabreichung über die Atemwege durch Inhalation vielversprechend. Zur Sicherheitsbewertung und Prüfung der therapeutischen Wirksamkeit nutzen die Forschenden vorhandene und entwickeln neue Modellsysteme, die auf menschlichen Zellen und Geweben basieren.

Sicherheit und Wirksamkeit von RNA-Wirkstoffen prüfen

Zur Bewertung der Sicherheit und Prüfung der therapeutischen Wirksamkeit nutzen die ITEM-Forschenden vorhandene und entwickeln neue Modellsysteme, die auf menschlichen Zellen und Geweben basieren. Außerdem können sie RNA-Therapeutika in frühen klinischen Studien prüfen.

Prozessentwicklung und GMP-Produktion von RNA-basierten Arzneimitteln

Forschende am Fraunhofer ITEM entwickeln Bioprozessverfahren und Produktionstechnologien für die modulare, automatisierte und bis zum Industriemaßstab skalierbare Herstellung von RNA-Molekülen und RNA-Nanotransportern. Schnelle, sichere und zuverlässige Produktionstechnologien zur Herstellung RNA-basierter Impfstoffe und Arzneimittel sind eine wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Translation in den Markt. Um dies zu unterstützen, erfolgt am Fraunhofer ITEM die Prozessentwicklung und GMP-Produktion von mRNA-Therapeutika für frühe klinische Studien, die ebenfalls im Institut durchgeführt werden können.

RNA-Moleküle als Biomarker

Auch für die Diagnostik werden RNA-Moleküle zunehmend interessant. Bei vielen Erkrankungen, u. a. Herz-Lungenerkrankungen und Krebs, sind die Expressionsprofile der RNA-Moleküle verändert. RNA kann aus verschiedenen Flüssigbiopsien gewonnen werden, z. B. aus Blut, Urin oder Nervenwasser. Für die Patienten ist die Entnahme einer Flüssigbiopsie deutlich weniger invasiv als eine Gewebebiopsie. Mittels Technologien des sogenannten Next Generation Sequencing kann die RNA-Zusammensetzung einer Probe bestimmt werden. RNA-Expressionsprofile können somit als Biomarker genutzt werden, um eine Erkrankung zu charakterisieren, das Ansprechen auf eine bestimmte Therapie vorherzusagen und den Therapieerfolg zu überwachen. Forschende am Fraunhofer ITEM haben Technologien entwickelt, um kleinste RNA-Mengen untersuchen und Expressionsprofile von einzelnen Zellen oder zellfreier, zirkulierender RNA bestimmen zu können.

mRNA- und miRNA-Expressionsprofile als Biomarker
© Fraunhofer ITEM, Ralf Mohr
Bisher werden hauptsächlich mRNA- und miRNA-Expressionsprofile als Biomarker genutzt, wobei sich auch zirkuläre RNA (circRNA) mehr und mehr zu einem Biomarker mit großem Potenzial entwickeln.

Unsere Technologien und Methoden

Identifizierung von Zielstrukturen

© Fraunhofer ITEM, Ralf Mohr

Über computerbasierte Modelle können Hinweise für molekulare RNA-Zielstrukturen in verschiedenen humanen Organpathologien erfasst werden.

Auf Basis dieser Strukturen können RNA-Wirkstoffkandidaten synthetisiert und nachfolgend in translationalen Modellsystemen validiert werden. 

Lead-Optimierung

© Fraunhofer ITEM, Ralf Mohr

Analytische Verfahren sind für die Optimierung RNA-modulierender Wirkstoffe unerlässlich. Mittels Oligonukleotid-basierter Bindungsanalytik wird die Wirkstoffstruktur vorab validiert und entsprechend angepasst.

Die darauf aufbauende Effizienztestung und Pharmakokinetik erfolgen ebenfalls mithilfe bioanalytischer Methoden. Außerdem stehen Plattformen für Mikroskalige-Thermophorese (MST) und HPLC zur Verfügung.

 

Effizienz-Testung in humanen Modellsystemen und RNA-Analytik (PK/PD-Studien)

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Humane und tierische Zell- und Gewebekulturmodelle

Herz

  • Zellkulturen
  • Herzgewebeschnitte
  • 3D-Organoidmodelle

Lunge

  • Zellkulturen
  • Isoliert Perfundierte Lunge
  • Präzisionslungenschnitte(PCLS)
  • 3D-Organoidmodelle

Leber

  • Zellkulturen
  • Präzisionsleberschnitte (PCLiS)

 

Toxikologie (in vitro/in vivo)

  • Präklinische Prüfungen in vivo
  • Präklinische Prüfungen anhand verschiedener In-vitro- und Ex-vivo-Modelle von Lunge und Herz
  • Sicherheitspharmakologie
  • Toxikologische Risikobewertung
    • Identifizierung und Nutzung prädiktiver Biomarker für toxikologische Endpunkte
    • Generierung mechanistischer Daten zur Unterstützung des sogenannten »Next-Generation Risk Assessment«
    • Bewertung von gentoxischen Verunreinigungen gemäß ICH M7 einschließlich Literaturrecherche, QSAR-Analyse und PDE-Ableitung

 

© Fraunhofer ITEM, Ralf Mohr

Herstellung von mRNA

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  • Plasmidproduktion und -reinigung bis zu 400 L Fermentationsmaßstab, EU-GMP-Herstellungserlaubnis vorhanden.
  • Enzymatische In-vitro-Transkription, Funktionalisierung und Reinigung von mRNA als Wirkstoff (bis zum Gramm-Maßstab)
  • Mikrofluidische Formulierung von mRNA-LNPs als formulierte Bulkware
  • Automatisierte oder manuelle aseptische Abfüllung von mRNA-LNPs als Arzneimittel bis zu 7.000 10R-Vials (Klasse A in B-Reinraumumgebung, Media-Fill validiert). Andere Abfüllformate sind auf Anfrage möglich.
  • QC-Analytik für IPC und Freigabeanalytik von Arzneimitteln inhouse, ggf. bei qualifizierten Analytik-Dienstleistern
  • Inhouse QP verfügbar, mRNA-Therapeutika können freigegeben und als IMP für die klinische Anwendung geliefert werden

RNA Targeted Delivery

Für die Entwicklung einer zielgerichteten, organspezifischen Verabreichung von RNA-Therapeutika werden verschiedene Technologien und kardiopulmonale 2D- und 3D-Modellsysteme genutzt.

  • Bioanalytik für therapeutische RNA-Interaktion mit Zielsequenz
  • Herstellung und Validierung von Nanopartikeln als Träger für RNA-Therapeutika
  • Biologische Validierung von RNA-Nanopartikelkomplexen
  • Entwicklung zelltypspezifischer Nanopartikel 
  • Vernebelung von RNA-Nanopartikelkomplexen 
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Klinische Phase-I/II-Testung

Proband wird von Studienarzt untersucht und informiert
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  • Phase-I-Einheit und Infrastruktur für klinische Forschung
  • Breites Diagnostikspektrum für die Sicherheits- und Wirksamkeitsbewertung
    • MRT-Darstellung Belüftung und Durchblutung der Lunge
    • EKG, Echokardiografie und Telemetrie
  • Kontrollierte Aerosolinhalation
  • Vielfältige Provokationsmodelle für frühen Proof-of-Concept 

RNA-Technologien: Aktuelle Projekte und Highlights

Projekt iGUARD

In dem Projekt iGUARD wird an RNA-basierten Wirkstoffen zur Bekämpfung von Viruserkrankungen geforscht. Es wird von der Bundesagentur für Sprunginnovationen (SPRIND) unterstützt.  

Plattform für RNA-basierte Therapeutika

Der Fraunhofer Cluster of Excellence Immune-Mediated Diseases CIMD fördert die Entwicklung neuer RNA-basierter Therapie-Ansätze.

 

Projekt RNAuto

Fraunhofer entwickelt automatisierte Produktionstechnologien für mRNA-basierte Arzneimittel.

 

Projekt Cell-Painting

Fraunhofer-Forschende etablieren ein vielversprechendes Werkzeug zur Risikobewertung der nächsten Generation. 

 

Projekt ZET-O-MAP

Forschenden des Fraunhofer ITEM gelingt die Entwicklung einer Analyse-Pipeline zum Biomarkernachweis für Entwicklungstoxizität.

RNA-Medikament gegen Herzfibrose

EU fördert Forschungsprojekt mit rund 2,5 Millionen Euro.

Projektarchiv

Hier finden Sie weitere Projekte sortiert nach unseren Forschungs- und Entwicklungskompetenzen. 

RNA-Typen

RNA kann in vielen Varianten vorkommen. Am bekanntesten ist die Messenger-RNA (mRNA). Sie codiert Baupläne für Proteine wie für das SARS-CoV-2-Spikeprotein in den Corona-Impfstoffen. Neben der mRNA gibt es im Organismus aber eine Vielzahl weiterer RNA-Moleküle. Diese sogenannten nichtcodierenden RNAs, zu denen z. B. auch Mikro-RNAs (miRNA), lange nichtcodierende RNAs (lncRNAs) und zirkuläre RNAs (circRNA) gehören, übernehmen wichtige Steuerungsaufgaben in der Zelle. Werden sie fehlreguliert, kann dies zur Entstehung verschiedenster Krankheiten führen, weshalb sie entscheidende therapeutische Zielstrukturen darstellen.

Messenger-RNA

 

Die Messenger-RNA (mRNA), auch Boten-RNA genannt, ist eine einzelsträngige Ribonukleinsäure, die genetische Information für den Aufbau eines bestimmten Proteins in einer Zelle überträgt.

Bei Medikamenten, die auf mRNA basieren, gelangt die Information zur Herstellung eines spezifischen Proteins in die Zellen, die dann dieses Protein produzieren.

Bei mRNA-Impfstoffen wirkt das produzierte Protein als Antigen, das eine Immunantwort zum Schutz aufbaut.

Mikro-RNA

 

Mikro-RNA (miRNA), sind kurze, hoch konservierte, nichtcodierende Ribonukleinsäuren, die eine wichtige Rolle in dem komplexen Netzwerk der Genregulation.

Die verschiedenen miRNA-Moleküle regulieren die Genexpression hochspezifisch auf der post-transkriptionalen Ebene und eignen sich daher als therapeutische Zielstrukturen.

Small interfering RNA

 

Als small interfering RNA (siRNA) werden synthetisch hergestellte RNA-Moleküle bezeichnet, die in der Forschung oder auch als therapeutische Wirkstoffe eingesetzt werden. Durch chemische Synthese lassen sich siRNA-Moleküle mit jeder gewünschten Sequenz herstellen.

Um siRNA in Zellen hineinzubringen, wird überwiegend die sogenannte Liposomale Transfektion genutzt. Dazu wird die RNA mit Liposomen gekoppelt, die mit der Zellmembran der Zielzellen verschmelzen und die siRNA so in die Zelle einschleusen.

Zirkuläre RNA

 

Zirkuläre RNA (circRNA) ist eine Art von einzelsträngiger Ribonukleinsäure, die im Gegensatz zu linearer RNA eine kovalent geschlossene Endlosschleife bildet.

Da zirkuläre RNA keine 5'- oder 3'-Enden hat, ist sie resistent gegen den Exonuklease-vermittelten Abbau und vermutlich stabiler als die meisten linearen RNAs in den Zellen. circRNA hat u. a. genregulatorische Funktionen und wurde mit einigen Krankheiten wie Krebs in Verbindung gebracht. Die biologische Funktion der meisten circRNA-Moleküle ist unklar.

Inc-RNA

 

Lange nichtcodierende RNAs (lncRNA) sind allgemein definiert als Transkripte mit mehr als 200 Nukleotiden, die nicht in Protein übersetzt werden.

Sie sind beteiligt an der Genregulation auf transkriptioneller, posttranskriptioneller sowie auf epigenetischer Ebene und haben Einfluss auf den DNA-Replikationszeitpunkt und die Chromosomenstabilität.

modRNA

 

Nukleosid-modifizierte Messenger-RNA (modRNA) ist eine synthetische, chemisch modifizierte mRNA, in der einzelne Nukleoside durch modifizierte Nukleoside oder durch synthetische Nukleosid-Analoga ersetzt sind.

Diese RNA-Moleküle werden experimentell oder therapeutisch eingesetzt, um in bestimmten Zellen die Produktion eines gewünschten Proteins zu induzieren.

Publikationen

  • Ahangari, F., Price, N. L., Malik, S., Chioccioli, M., Barnthaler, T., Adams, T. S., Kim, J., Pradeep, S. P., Ding, S., Cosmos, C., Jr., Rose, K. S., McDonough, J. E., Aurelien, N. R., Ibarra, G., Omote, N., Schupp, J. C., DeIuliis, G., Villalba Nunez, J. A., Sharma, L., Ryu, C., Dela Cruz, C. S., Liu, X., Prasse, A., Rosas, I., Bahal, R., Fernandez-Hernando, C., Kaminski, N. (2023). microRNA-33 deficiency in macrophages enhances autophagy, improves mitochondrial homeostasis, and protects against lung fibrosis. JCI Insight 8(4). doi: 10.1172/jci.insight.158100 https://insight.jci.org/articles/view/158100 - Open Access
  • Biss, S., Teschler, M., Heimer, M., Thum, T., Bar, C., Mooren, F. C., Schmitz, B. (2023). A single session of EMS training induces long-lasting changes in circulating muscle but not cardiovascular miRNA levels - A randomized crossover study. J Appl Physiol. [Epub ahead of print]. doi: 10.1152/japplphysiol.00557.2022 https://journals.physiology.org/doi/abs/10.1152/japplphysiol.00557.2022
  • Kandil, R., Baldassi, D., Bohlen, S., Muller, J. T., Jurgens, D. C., Bargmann, T., Dehmel, S., Xie, Y., Mehta, A., Sewald, K., Merkel, O. M. (2023). Targeted GATA3 knockdown in activated T cells via pulmonary siRNA delivery as novel therapy for allergic asthma. Journal of Controlled Release 354: 305-315. doi: 10.1016/j.jconrel.2023.01.014  https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0168365923000159?via%3Dihub
  • Lu, D., Cushman, S., Thum, T., Bär, C. (2023). Gene Therapy and Cardiovascular Diseases. In: Genome Editing in Cardiovascular and Metabolic Diseases. Advances in Experimental Medicine and Biology. Xiao, J. (ed.) Springer, Singapore 1396: 235-254.
  • Neufeldt, D., Cushman, S., Bär, C., Thum, T. (2023). Circular RNAs at the intersection of cancer and heart disease: potential therapeutic targets in cardio-oncology. Cardiovascular Research [Epub ahead of print]. doi: 10.1093/cvr/cvad013 https://academic.oup.com/cardiovascres/advance-article-abstract/doi/10.1093/cvr/cvad013/6991260?redirectedFrom=fulltext
  • Thum, T., Lam, C. S. P. (2023). Accelerating developments in heart failure. Cardiovascular Research 118(18): 3401-3402. doi: 10.1093/cvr/cvac185 https://academic.oup.com/cardiovascres/advance-article/doi/10.1093/cvr/cvac185/6965791 - Open Access