Herzinsuffizienz verstehen und innovative Therapien entwickeln

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Rund 60 Millionen Patientinnen und Patienten leiden weltweit an einer Herzinsuffizienz – einer Erkrankung, die im fortgeschrittenen Stadium mit einer sehr begrenzten Lebenserwartung einhergeht, welche sogar geringer ist als bei zahlreichen Krebsarten. Bei der Herzinsuffizienz ist nicht nur das Herz betroffen, sondern auch mehrere andere Organsysteme, insbesondere die Lunge. Die Europäische Gesellschaft für Kardiologie (ESC) gibt in ihrem aktuellen Positionspapier einen Überblick über die Wechselwirkungen zwischen dem Herzen und anderen Organsystemen, klinische Befunde, zugrundeliegende Mechanismen und fordert mehr experimentelle Forschung und die Entwicklung passender Krankheitsmodelle, um die einzelnen molekularen Mechanismen der Herzinsuffizienz zu verstehen. Mit Forschung anhand von Modellen für Herz- und Lungenerkrankungen wollen die Forschenden am Fraunhofer-Institut für Toxikologie und Experimentelle Medizin ITEM einen Beitrag zur Entwicklung neuer Therapien leisten.

© Fraunhofer ITEM, Ralf Mohr
Mit lebenden Schnitten aus menschlichem Gewebe lassen sich besonders translationale Fragestellungen sehr gut beantworten.

Bei der Herzinsuffizienz ist das Herz nicht mehr in der Lage, den Körper ausreichend mit Blut und deshalb auch mit lebenswichtigem Sauerstoff zu versorgen. Dies führt zu typischen Symptomen wie Luftnot bei Belastung, übermäßige Müdigkeit mit eingeschränkter körperlicher Leistungsfähigkeit und periphere Ödeme, zum Beispiel stark geschwollene Beine. Diese Symptomvielfalt weist darauf hin, dass diese Erkrankung ein Syndrom ist, das mehrere Organsysteme betrifft. Insbesondere Lungenerkrankungen stehen in engem Zusammenhang mit einer Herzinsuffizienz, wie beispielsweise die chronisch obstruktive Lungenerkrankung COPD. Ebenso besteht eine enge Beziehung zwischen der Exposition der Atemwege gegenüber Zigarettenrauch, Luftverschmutzung oder Krankheitserregern und der kardiovaskulären Morbidität und Mortalität. Das pathologische Zusammenspiel zwischen Herz und Lunge ist komplex, beide Organe beeinflussen sich gegenseitig und derzeit sind keine zielgerichteten Therapien verfügbar.

»Um das Zusammenspiel der beiden Organsysteme Herz und Lunge besser zu verstehen und neue Therapiemöglichkeiten zu finden, forschen wir am Fraunhofer ITEM anhand von humanen Krankheitsmodellen«, sagt Prof. Thomas Thum, Leiter des Fraunhofer ITEM. Er ist Vorsitzender der ESC-Arbeitsgruppe »Myokardiale Funktion« und federführender Autor des Positionspapiers. Thum arbeitet bereits seit einigen Jahren mit menschlichem Herzgewebe. Anhand von ex vivo gewonnenen Gewebeschnitten untersucht er unter anderem die Funktion und Interaktion der Herzmuskelzellen und anderer Zelltypen. Allerdings sei weitere Forschung notwendig, um auch die Wechselwirkungen der verschiedenen Organe zu untersuchen. »Am Fraunhofer ITEM arbeiten wir für präklinische Fragestellungen erfolgreich mit einem Ex-vivo-Modell der Lunge, sogenannten Präzisionsgewebeschnitten aus der humanen Lunge, und testen daran auch die Wirksamkeit und Sicherheit neuer Medikamentenkandidaten«, sagt Thum. Ein wichtiger Baustein, um die wechselseitige Organbeziehung zu verstehen, meint Thum.

Hier finden Sie das Positionspapier der ESC: https://academic.oup.com/cardiovascres/article/117/12/2416/6105178?login=true