»Pharmazeutische Biotechnologie« am Fraunhofer ITEM: Schließung des Standorts Braunschweig eingeleitet
Als einer von fünf Forschungsbereichen an den drei Standorten des Fraunhofer-Instituts für Toxikologie und Experimentelle Medizin ITEM wird der Bereich »Pharmazeutische Biotechnologie« am Standort Braunschweig zum 28. Februar 2026 schließen, da dieser Forschungsbereich aus unternehmerischer Sicht ein fortlaufendes Defizit ausweist und eine Trendwende nicht zu erwarten ist. Der Vorstand der Fraunhofer-Gesellschaft stimmte dem entsprechenden Antrag der Institutsleitung zu. Eine mögliche Option zum Erhalt des Standorts Braunschweig ist weiterhin der Übergang in ein privatwirtschaftliches Unternehmen.

Seit über 40 Jahren steht die Gesundheit der Menschen im Fokus der Forschung des Fraunhofer-Instituts für Toxikologie und Experimentelle Medizin ITEM. An drei Standorten – am Hauptsitz in Hannover sowie in Regensburg und Braunschweig – legen die rund 450 Mitarbeitenden des Fraunhofer ITEM ihren Fokus auf die Arzneimittelentwicklung und Chemikaliensicherheit in der Atemwegsforschung. Am Standort Braunschweig steht die Pharmazeutische Biotechnologie (Bioprozessentwicklung) und die GMP-Herstellung (Good Manufacturing Practice) von Prüfarzneimitteln im Mittelpunkt.
Aus unternehmerischer Sicht weist der Standort Braunschweig seit mehreren Jahren ein hohes, fortlaufendes Defizit in Millionenhöhe auf. Dies ist insbesondere dadurch begründet, dass das bestehende Geschäftsmodell im Konflikt mit dem für die Fraunhofer-Gesellschaft maßgeblichen Vereinsrecht steht. Eine Trendwende ist unter den gegebenen Umständen nicht zu erwarten. Ebenso besteht für die Anpassung des laufenden oder den Aufbau eines neuen Geschäftsmodells kein ausreichender finanzieller Spielraum. Darüber hinaus kämen in den nächsten Jahren notwendige Investitionen in die Infrastruktur in Höhe von ca. 100 Mio. € auf den Standort zu.
Vor diesem Hintergrund trat die Institutsleitung des Fraunhofer ITEM bereits 2022 an den Vorstand der Fraunhofer-Gesellschaft heran, um sowohl im Sinne der Mitarbeitenden am Standort als auch des Gesamtinstituts eine wirtschaftlich trag- und zukunftsfähige Lösung zu finden.
Übernahme durch ein privatwirtschaftliches Unternehmen
Aufgrund der großen Industrienähe und eines stark unternehmerisch geprägten Geschäftsmodells des Standorts Braunschweig forcierte die Institutsleitung gemeinsam mit der Zentrale der Fraunhofer-Gesellschaft seit 2022 die Übernahme des Standorts und seiner Mitarbeitenden durch ein privatwirtschaftliches Unternehmen. Das Angebot des Standorts Braunschweig stieß erwartungsgemäß auf großes Interesse zahlreicher Biotech-Unternehmen.
Trotz intensiver Bemühungen über mehr als zwei Jahre konnte jedoch bislang keine tragfähige Lösung mit einem Interessenten gefunden werden, was auch durch das volatile Marktumfeld erschwert wird. Der Vorstand der Fraunhofer-Gesellschaft hat nun auf Antrag der Institutsleitung des Fraunhofer ITEM und nach sorgfältiger Prüfung der Standortschließung Braunschweig des Fraunhofer ITEM zum 28. Februar 2026 zugestimmt – auch im Sinne einer sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel. Ausdrücklich weist der Vorstand darauf hin, dass es sich dabei nicht um eine Institutsschließung handelt. Das Fraunhofer ITEM in Hannover mit seinen Bereichen »Sicherheitsbewertung und Toxikologie«, »Präklinische Pharmakologie und Toxikologie«, »Atemwegsforschungֿ« sowie die »Personalisierte Tumortherapie« am Standort Regensburg sind davon nicht betroffen. Das Fraunhofer ITEM bleibt weiterhin erhalten.
Fortlaufende Übernahmegespräche
Parallel zu den nun beginnenden Vorbereitungen der Umsetzung des Beschlusses besteht weiterhin die Möglichkeit einer Veräußerung des Standorts an ein Unternehmen aus der Privatwirtschaft. In diesem Sinne werden die bereits laufenden Gespräche weitergeführt mit dem Ziel der Überführung des Standorts und seiner Mitarbeitenden.
Sollte sich die Überführung des Standorts in ein privatwirtschaftliches Unternehmen nicht realisieren lassen, dient die Definition eines Zieldatums zur Schließung des Standorts dazu, mit ausreichend zeitlichem Vorlauf alle weiteren notwendigen Schritte, wie beispielsweise einen Interessenausgleich und Sozialplan, ausarbeiten zu können. Dies soll den 60 betroffenen Mitarbeitenden ein möglichst hohes Maß an Planungssicherheit und Vorbereitung ermöglichen.
Die Institutsleitung des Fraunhofer ITEM und der Vorstand der Fraunhofer-Gesellschaft sind sich der Tragweite dieser schweren Entscheidung bewusst und bedauern sehr, den Weg einer Standortschließung zu eröffnen. Sie sind jedoch davon überzeugt, dass dieser Schritt zwingend erforderlich ist, um das Gesamtinstitut Fraunhofer ITEM wirtschaftlich und zukunftsfest im Sinne des Fraunhofer-Modells und des Auftrags der Fraunhofer-Gesellschaft aufzustellen – sollte sich keine Übernahme realisieren lassen.
Der Betriebsrat des Fraunhofer ITEM sowie der Gesamtbetriebsrat der Fraunhofer-Gesellschaft wurden im Rahmen der Mitbestimmung informiert und eingebunden. Es werden nun die notwendigen Schritte eingeleitet, um die Folgen der Standortschließung so gut wie möglich im Sinne der Mitarbeitenden abzumildern. Dazu gehören auch die Verhandlungen über einen Interessenausgleich und einen Sozialplan, um die Auswirkungen für die Beschäftigten fair und verantwortungsvoll zu gestalten.