
In den letzten Jahren wurden einige Arzneimittel wegen geringer Verunreinigungen mit krebserregenden N-Nitrosaminen (NA) vom Markt zurückgerufen. Sogenannte »NA Drug Substance-Related Impurities« (NDSRIs) geben in der pharmazeutischen Industrie zunehmend Anlass zur Besorgnis, da ihr mutagenes und kanzerogenes Potenzial häufig unbekannt ist. Es wurden daher regulatorische Aktivitäten zur Verbesserung der Risikobewertung initiiert, u. a. das EMA-finanzierte Projekt MUTAMIND. Unter der Leitung des Fraunhofer ITEM arbeiten acht Partner daran, die Mechanismen, die zur Mutagenität von NA, und insbesondere von NDSRIs beitragen, besser zu verstehen und ein passgenaues, sensitives In-vitro-Gentoxizitäts-Screening zu entwickeln. Das In-vitro-Teilprojekt SC02 zielte darauf ab, den Ames-Test (Mutagenität in Bakterien) für den Nachweis von mutagenen NA zu optimieren und die Vorhersagekraft des Ames-Fluktuationstests sowie des alkalischen In-vitro-Comet-Assays (zum Nachweis von DNA-Strangbrüchen) mit fünf Lebermodellen im Hinblick auf die Kanzerogenität von NA zu evaluieren.
Das vom Fraunhofer ITEM geleitete Teilprojekt, an dem sechs Partner aus Deutschland, dem Vereinigten Königreich, Italien und den USA beteiligt waren, umfasste die Auswahl von Substanzen, Literaturrecherchen, die entsprechenden experimentellen Arbeiten sowie ein finales »Benchmark Dose (BMD) Modeling«. Die schließlich ausgewählten Substanzen umfassten mehr als 40 strukturell unterschiedliche krebserregende und nicht-krebserregende NA für Validierungszwecke sowie NDSRIs mit unbekannter Mutagenität. Zunächst wurde die metabolische Kompetenz der ausgewählten Leberzellmodelle und exogenen Stoffwechselaktivierungssysteme (S9-Mix) charakterisiert, da für die Mutagenität von NA die metabolische Umwandlung essenziell ist. Anschließend erfolgte auf Basis einer kleinen Gruppe von NA die Optimierung des Ames-Tests und die Evaluierung des Comet-Assays. Für den Ames-Test ergab sich, dass die Vorinkubationsmethode mit drei Bakterienstämmen, Wasser oder niedrigen Konzentrationen von DMSO als Lösungsmittel und 30 Prozent Hamster-S9-Mix als exogenes Stoffwechselsystem optimal für die Mutagenitätsprüfung von NA geeignet ist. Dieser Aufbau wurde dann für die Untersuchung der übrigen, strukturell vielfältigen NA, einschließlich vieler NDSRIs, verwendet.
Unterstützt durch BMD-Analysen konnte gezeigt werden, dass der In-vitro-Comet-Assay mit normalen menschlichen Leberzellen, HepG2-Zellen plus Hamster-S9-Mix oder menschlichen Leberschnitten ein vielversprechendes Tool zur Erkennung mutagener und nicht-mutagener NA darstellt. Dieser Test könnte nach weiterer Validierung den Ames-Test bei der Bewertung des NA-bedingten Risikos sinnvoll ergänzen. Die im SC02-Projekt gewonnenen Daten werden dazu beitragen, die Genauigkeit der im Rahmen des Carcinogenic Potency Categorisation Approach (CPCA) ermittelten Potenzkategorien zu verbessern und liefern einen wichtigen Beitrag zu den laufenden Regulierungsaktivitäten zur Risikobewertung von NA, einschließlich NDSRIs.