Die Detektion und Analyse von zirkulierenden Tumorzellen (kurz CTCs für engl. »Circulating Tumor Cells«) im peripheren Blut von Patienten mit Metastasen rückte in den vergangenen Jahren immer mehr in den biomedizinischen und klinischen Fokus. Denn diese gestreuten Zellen - zirkulierende Tumorzellen - können wichtige Informationen zur Prognose, zum Verlauf einer Krebserkrankung sowie dem individuellen Ansprechen auf die Krebstherapie liefern.
Isolierung von Tumorzellen durch »liquid biopsy«
Neben der Quantifizierung bietet eine molekulare Charakterisierung die Möglichkeit, das genetische Profil der zirkulierenden Tumorzellen zu analysieren. Dadurch können maßgeschneiderte Behandlungen gezielt eingesetzt werden. Gerade bei inoperablen, soliden Tumoren, wie bei der aggressiven Form von Lungenkrebs - dem kleinzelligen Bronchialkarzinom (Small-Cell Lung Cancer, SCLC) – stellt die Blutentnahme zur Isolierung von Tumorzellen, die sogenannte »liquid biopsy«, eine nichtinvasive Alternative für die Diagnostik dar. Da zum Zeitpunkt der Diagnose die Tumorzellen meist bereits extensiv gestreut haben und zudem die Chemotherapie häufig zur Entwicklung von Resistenzen führt, sind die Überlebenschancen von SCLC-Patienten bislang sehr gering. So liegt trotz moderner Krebstherapien die Fünf-Jahres-Überlebensrate bei dieser Tumorentität bei nur etwa 2 %.
Entwicklung neuer Zellmodelle
Um zukünftig wirkungsvollere Therapieansätze entwickeln zu können, werden daher adäquate, patientennahe Zellmodelle benötigt. Diese Zellmodelle sollen die molekularen Eigenschaften der Tumorerkrankung darstellen. Hierzu wurden am Fraunhofer-Institutsteil in Regensburg präklinische In-vitro- und In-vivo-Modelle aus CTCs von Patienten entwickelt, die die Expansion dieser wichtigen Zellen ermöglichen. Aufgrund der limitierten Verfügbarkeit (meist nur 1 bis 300 CTCs/ml Blut) und Zellviabilität ist es eine große Herausforderung, die zirkulierenden Tumorzellen nach der Isolierung ex vivo über einen längeren Zeitraum in einem überlebensfähigen, proliferativen Zustand halten zu können. Daher verfolgten die Wissenschaftler mit der Etablierung von kombinierten In-vitro- und In-vivo-Ansätzen unterschiedliche Strategien zur Kultivierung. So konnten sie aus Blutproben von zwei SCLC-Patienten die zirkulierenden Tumorzellen erfolgreich isolieren, unter optimierten Bedingungen vorkultivieren und/oder im Mausmodell expandieren.
Eigenschaften der zirkulierenden Tumorzellen im Zellmodell nachgewiesen
Die molekularbiologischen Untersuchungen haben folgendes gezeigt:
Diese Modelle exprimieren SCLC-spezifische Tumormarker wie EpCAM, CD56 oder Cytokeratin.
Die Modelle weisen die gleichen Mutationen auf, die auch im Genom der CTCs von Patienten gefunden werden, selbst wenn sie über einen längeren Zeitraum in vitro oder in vivo kultiviert werden.
Eine genetische Analyse des Gesamtgenoms (comparative genomic hybridization) bestätigte, dass die generierten Zellmodelle in der Tat die molekularen Eigenschaften der zirkulierenden Tumorzellen des Patienten darstellen.
Neue Zellmodelle ermöglichen das Testen neuer Krebstherapien
Diese neuen Zellmodelle repräsentieren somit die tatsächlichen Zielzellen einer systemischen Krebstherapie. Sie ermöglichen die Erforschung von Metastasierungsprozessen und Resistenzmechanismen sowie die Austestung neuer Therapieverfahren für die Behandlung von Patienten mit SCLC.