
Das Jahr 2020 war für das Fraunhofer ITEM ein ganz besonderes Jahr – nicht nur wegen der Corona-Pandemie, sondern auch, weil es für die »Klinische Atemwegsforschung« das 20-jährige Jubiläum war. Genau vor 20 Jahren baute das Institut in Hannover eine eigene klinische Forschungsabteilung auf, mit besonderem Fokus auf entzündliche und allergische Erkrankungen der Lunge. Ziel war es, die Translationsforschung voranzubringen – Erkenntnisse aus der angewandten Forschung und der Präklinik in die Klinik zu bringen, und zwar aus einer Hand.
Die Anfänge unserer klinischen Forschung
Atemwege und Lunge waren schon mit der Institutsgründung 1981 das zentrale Thema des Instituts, damals eher unter dem Gesichtspunkt Umwelt- und Arbeitsplatztoxikologie. Die ITEM-Forschenden untersuchten die Wirkungen luftgetragener Stoffe, die über die Atemwege und die Lunge in den Körper gelangen. Dabei nutzten sie In-vitro- und In-vivo-Methoden. »Initial wollten wir unser Spektrum erweitern, um die Auswirkungen von luftgetragenen Stoffen auf die Gesundheit des Menschen direkt zu untersuchen. Ein Beispiel dafür ist eine experimentelle Studie mit Staub aus einem ostdeutschen Industriegebiet, in der wir zeigen konnten, dass metallhaltige Feinstäube aus der Umwelt Atemwegsentzündungen bei gesunden Probanden induzierten«, berichtet Prof. Jens Hohlfeld, Leiter des Bereichs Atemwegsforschung. Der Pneumologe hat den Aufbau des Bereichs vor 20 Jahren aktiv mitgestaltet. »Auch weil Allergien auf dem Vormarsch waren, interessierten uns natürliche Allergene wie Pollen und deren Auswirkungen auf die Gesundheit und insbesondere die Therapiemöglichkeiten. Also dehnten wir unsere Forschungen auf die klinische Prüfung neuer Medikamente gegen Allergien und Asthma aus.« Dabei war es am Anfang insbesondere der Pollenprovokationsraum, auch die »Wiese im Labor« genannt, der die Anzahl an klinischen Medikamentenstudien in erster Linie gegen Allergien hat wachsen lassen. »Am Aufbau unseres Pollenprovokationsraums waren unsere Aerosoltechnologen mit ihrer langjährigen Expertise ganz wesentlich beteiligt – und ihr Know-how ist auch für unsere aktuellen Entwicklungen von entscheidender Bedeutung«, sagt Prof. Hohlfeld.
Wir wachsen weiter
Ging es im Jahr 2000 mit gerade mal einer Handvoll Mitarbeitender unter der Leitung von Prof. Norbert Krug und Prof. Jens Hohlfeld los, arbeitet heute ein über 50-köpfiges Team aus Ärzten, Wissenschaftlern, Projektmanagern, Krankenschwestern, medizinischen Fachangestellten, Dokumentaren, medizinischoder biologisch-technischen Assistenten und Studenten am Patienten und mit gesunden Studienteilnehmern.
Gewachsen sind über die Jahre auch die Gebäude: Nach zweimaliger Erweiterung des klinischen Gebäudes in den Jahren 2004 und 2006 wurde dann für den weiteren Aufbau der klinischen Forschung und die Schwerpunktsetzung in der frühen klinischen Entwicklung mit Erweiterung der Indikationen neu gebaut. So wurde das »Clinical Research Center Hannover«, kurz CRC Hannover, als Neubau und Institutserweiterung des Fraunhofer ITEM für die gemeinsame Arbeit mit den benachbarten Partnern der Medizinischen Hochschule Hannover und des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung unter einem Dach geplant und im Herbst 2014 mit einem Festakt eingeweiht. Mit der Verfügbarkeit einer Phase-I-Station, Übernachtungsbetten und interdisziplinärer apparativer Diagnostik einschließlich Bildgebung mit Kernspintomographie hat sich auch der Schwerpunkt der klinischen Forschung in Richtung experimentelle Medizin und frühe klinische Entwicklung verlagert. »Unsere verschiedenen Provokationsverfahren mit unterschiedlichen Allergenen, Endotoxin, Rhinovirus, Ozon, Stäuben oder Hypoxie in Kombination mit invasiver und nichtinvasiver Diagnostik in der qualitätsgesicherten und maßgeschneiderten Infrastruktur machen uns zu einem wichtigen und viel gefragten Partner für Kunden aus der Pharmaindustrie«, sagt Prof. Hohlfeld. Mittlerweile hat sich der initiale Fokus erweitert: von der Lunge hin zu naheliegenden Organsystemen wie die Haut und das Immunsystem. Und nicht zuletzt die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie wichtig die Forschung im Bereich der Infektionserkrankungen ist. Durch die Neuberufung des Institutsleiters Prof. Thomas Thum werden zukünftig auch Herzerkrankungen für die klinische und translationale Forschung eine große Rolle spielen.
»Gerne hätten wir das 20-jährige Jubiläum mit einem internationalen Symposium gefeiert, doch leider ist, wie so viele Veranstaltungen, auch dieses der Pandemie zum Opfer gefallen «, bedauert Prof. Hohlfeld. Vielleicht klappt das Feiern dafür dann im Jahr 2021 wieder, denn dann kann das gesamte Fraunhofer ITEM feiern – diesmal sein 40-jähriges Bestehen!